Kopftuch-Urteil hinterlässt viele offene Fragen
Es ist bei einem so umstrittenen politisch-religiösen Symbol wie dem des Kopftuches keineswegs überzeugend, hier nur von einer „abstrakten“ Gefahr für den Schulfrieden zu sprechen. Das demonstrative Tragen des Kopftuches einer muslimischen Lehrerin im schulischen Unterricht kann nämlich sehr wohl als grundsätzliches Problem für die gebotene religiöse, politische und weltanschauliche Neutralität bzw. die negative Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler betrachtet werden, so wie es auch in dem abweichenden Votum der Richter Schuckebier und Hermanns deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Wenn sich die Schulen des Weiteren von nun an selbst genötigt sehen, mögliche Konflikte im Einzelfall zu lösen, so dürfte dies in vielen Fällen eine völlige Überforderung darstellen. Es besteht außerdem die Gefahr, dass es eine unübersichtliche Zahl unterschiedlichster Regelungen gibt, und z.B. in Osnabrück bald etwas anderes gilt als vielleicht in Münster.
Nicht widerspruchsfrei erscheint dieses Urteil schließlich auch im Spiegel des ‚Kruzifix‘-Urteiles von 1995: Betont man jetzt im Hinblick auf ein ‚pauschales‘ Kopftuch-Verbot die unzumutbare Einschränkung der positiven Religionsfreiheit der einzelnen Lehrerin, so hat man damals im Hinblick auf das Entfernen des Kreuzes an der Wand der Bayerischen Volksschule noch den Schutz der negativen Religionsfreiheit in den Mittelpunkt gestellt.“