Evangelischer Arbeitskreis der CDU in Hessen

Stellungnahme des EAK-Bundesvorsitzenden PSt Thomas Rachel MdB zum Abbruch der Sondierungsgespräche

Wie viele andere Menschen in diesem Land bin ich vom abrupten Ende der Sondierungen für eine Jamaika - Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen sehr enttäuscht. Ich bedaure außerordentlich, dass die FDP einseitig den Tisch verlassen und Deutschland damit in eine politisch schwierige Lage gebracht hat, die auch im Ausland mit Sorge verfolgt wird. Zweifellos standen alle Parteien vor der nicht einfachen Herausforderung, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Koalition aus vier verschiedenen politischen Parteien auszuloten. Für einen Erfolg dieser außergewöhnlichen Konstellation brauchte es von allen Seiten das notwendige Verantwortungsbewusstsein, viel Geduld und echte Kompromissbereitschaft, um aus dem Wählervotum eine stabile Regierung zu bilden. Umso enttäuschender ist der Ausstieg der Liberalen, obwohl eine inhaltliche Einigung greifbar war.   

Der konsentierte Verhandlungsstand vom Sonntagabend enthielt zahlreiche Punkte, die aus Sicht der Union Wichtiges ermöglicht hätten :

 

- Ausgeglichener Haushalt : Weiterhin keine neuen Schulden aus Verantwortung für die kommenden Generationen .

- Paket für Familien: Verständigt hatte man sich auf eine Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro pro Monat und eine entsprechende Anpassung des Kinderfreibetrages. Der Kinderzusch lag sollte erhöht und unbürokratisch ausgezahlt werden. Unstreitig war ebenso die Wohnraumförderung für Familien . Eine Erleichterung des Familien alltags hätte ein Rechtsanspruch zur Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern und Verbesserungen bei der Qualitä t der Kinderbetreuung gebracht.

- Pflege: Nachdem wir in der vergangenen Legislaturperiode 5 Mrd. Euro pro Jahr für Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige beschlossen haben, hatten wir uns auf ein Sofortprogramm Pflege verständigt. Damit sollte mehr Personal in der Alten - und Krankenpflege möglich werden .

- Soli - Abbau/ Steuerentlastung: Wir hatten einen Abbau des Solidaritätszuschlags in der Weise angeboten, dass am Ende dieser Legislaturperiode rund ¾ aller Bürger keinen Solidaritätszuschlag mehr hätten zahlen müssen. Zudem bestand Einigkeit über eine Steuerreform zugunsten von Beziehern ganz kleiner Einkommen.

- Wirtschaft/ Soziales/ Rente/ Ehrenamt: Wir waren einig (!) , die Sozialversicherungsbeiträge bei 40 % zu deckeln und sowohl den Mindestlohn beim Ehrenamt als auch die Pflege zu entbürokratisieren. Wir waren uns darüber einig, Frauen mit einer kleinen Rente eine Aufstockung bis zur Grundsicherung so zu gewähren, dass sie dafür nicht zum Amt gehen müssen. Auch bei der Mütterrente zeichnete sich ein Ko mpromiss für eine teilweise Ausweitung ab.

- Innere Sicherheit : Zusätzliche 7.500 Polizeistellen beim Bund sollten geschaffen werden. Es gab klares Bekenntnis dazu, durch mehr Videoüberwachung für mehr innere Sicherheit zu sorgen.

- Bildung und Forschung: Mit einem Berufsbildungspakt soll te die duale Bildung gestärkt werden. Es sollte eine Nachfolgeregelung für den erfolgreichen Hochschulpakt geben, um Qualität und Digitalisierung voranzubringen. Mit einer steuerlichen Forschungsförderung wollten wir die Wirtschaft in ihrer Innovationskraft unterstützen.

 

Eine Jamaika - Koalition hätte wichtige Impulse setzen können, um das Land weiter voranzubringen . Ein tragfähiger und für die Union vertretbarer Kompromiss hat sich zuletzt auch bei der Steuerung der Flüchtlingspo litik abgezeichnet, in dem ein jährlicher Orientierungsrahmen von 200.000 Zuwanderern sowie die Einstufung von drei Maghreb - Staaten zu sicheren Herkunftsländern möglich gewesen wären.

 

Eine Demokratie lebt davon, Mehrheiten und einen Ausgleich zwischen vi elen verschiedenen Parteien und Strömungen zu finden. Dies gilt insbesondere auch für Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen, in denen über Leitlinien und Ziele für die politische Zukunft unseres Landes für die kommenden vier Jahre entschieden wird. Jede Partei versucht natürlich, einem Ergebnis seine Handschrift zu verpassen. Es ist legitim und wünschenswert, den Willen seiner Wähler zu verfolgen. Mögliche Koalitionspartner sind dennoch darauf angewiesen, Kompromisse zu finden, gleichzeitig auf Partner zuzugehen und nicht starr auf seinen Positionen zu verharren.

 

Es ist Aufgabe der Parteien, über politische Gegensätze hinweg Lösungen zu finden und eine gute Regierung zu bilden – gute Lösungen und eine gute Regierung zum Wohle unseres Landes und unseres Volkes. Das ist die Übernahme politischer Verantwortung.

 

Sich jedoch der Bereitschaft zu verweigern, Verantwortung für unser Land und seine Bürger übernehmen, ist eine aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigende Verhaltensweise. Es muss der Grundsatz gelten: Staatsraison vor Parteiraison. Das gilt für alle Parteien.

 

Bundespräsident Frank - Walter Steinmeier betonte unmissverständlich und mit klaren Worten: „Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält!“. Dieser Aussage stimme ich vollumfänglich zu.

Nun kommt es darauf an, eine für unser Land zukunftsfähige und verantwortungsvolle Lösung zu finden. Es kommt darauf an, dass sich alle politischen Parteien ihrer besonderen Verantwortung bewusst werden und zuallererst an unser Land und erst danach an sich selbst denken. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für unser Land.